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Welche eine Erlösung!

Wenn jemand in seinem Leben soeben eine Situation überstanden hat, die ihn an eine totale Grenze gebracht, voller Angst oder sogar Todesangst, in der jede Hilfe oder ein Ende des Grauens ausgeschlossen schien, und wenn dann die nicht mehr erwartete Rettung kommt, dann kann es sein, dass er sagt: Welch eine Erlösung!

Nun ist «Erlösung» ein zentrales christliches Wort und steht ganz im Zusammenhang von Leben und Tod. Doch ist dieses Wort für uns Christen wirklich Ausdruck einer Erfahrung von Leben und Tod, von Rettung aus einer todbringenden Situation?

Manche sind noch vertraut mit der christlichen Rede, dass durch Adam die Sünde und der Tod in die Welt gekommen ist und durch Christus die Erlösung.

Doch irgendwie bleibt die Vorstellung seltsam vage, was sich durch Adam und Eva und was sich durch Christus in der Menschheit und im Kosmos geändert hat.

Wenn wir die Heilige Schrift durchforsten, können wir erkennen, wie das Werk Gottes, Himmel und Erde, ein organisches Ganzes ist, eine Harmonie des Lebens. Alles ist aufeinander aufgebaut, aufeinander bezogen, jedes Lebewesen lebt vom andern. Darin zeigt sich ein Lebensprinzip:

Gott hat sein dreieiniges Sein in alles eingeschrieben. Göttliches Leben ist ein Fest von Schenken und Empfangen – ein ständiger Vollzug von Liebe. Und das ist gemeint mit Hoch-Zeit. Unser Leben ist hoch-zeitlich gedacht.

Wir können uns vorstellen, wie es zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte, in diesem geheimnisvollen «Anfang» den Moment gab, wo das Geschöpf Mensch zu sich selbst erwacht ist:

Es hat sich in der Gegenwart Gottes selbst erkannt als Bild dieses Gottes, mit seinem Ich-Bewusstsein, seinem Platz im Kosmos, seiner Macht, seiner Schönheit und Grösse.

Als Bild Gottes sollte nun der Mensch die Entsprechung Gottes sein. Liebend wie Gott. Lebendig und vollmächtig durch Schenken und Empfangen. Nicht wie die andern Geschöpfe den Naturgesetzen unterworfen, sondern in schöpferischer Freiheit, in Liebe. Der Mensch sollte Ja sagen zu seiner Grösse und Verantwortung.

Doch in diesem Ur-Akt des menschlichen Erwachens geschah eine Pervertierung.

Der Mensch hatte als Bild Gottes Anteil an allem, was Gott ausmacht. Doch sein Blick wurde auf etwas gerichtet, was von der Lebensdynamik des dreieinigen Gottes wegführte: Gott hatte etwas, was er als Geschöpf nicht hat. Gott hat das Sein als Ur-Sprung und als Quelle, und deshalb kann nur er definieren, was Leben ist und wie Leben geht und was Leben nicht ist: Tod und Nicht-Sein.

Die Versuchung von damals lautet bis heute:

Ihr werdet sein wie Gott, wenn ihr selber sagen könnt, was gut und böse ist.

Gott allein weiss, was Leben ist, weil er sich ganz und gar erkennt, weil er ist, was er erkennt. Deshalb ist nur er „der Gute“, wie Christus es selber sagt.

Durch eine Verzerrung in der Wahrnehmung haben wir grundlegend die Klarheit verloren, wir verstehen das Lebensprinzip von Schenken und Empfangen nicht mehr und sehen die Lebensmacht Gottes als Herrschmacht. Unsere falschen Gottesbilder entlarven ja diese unbewusste Unterstellung.

Bis heute ist die Machtgier das entscheidend Anti-Christliche und es zeigt sich, wie die ganze Schöpfungsgeschichte damit an ein tödliches Ende kommt.

Es ist gar nicht so einfach, zu verstehen, wieso die Menschwerdung Gottes in Christus und sein Tod am Kreuz die Welt erlösen soll. Was ändert sich dadurch, dass er qualvoll durch Mörderhand umgebracht wird?

Das Erlösende beginnt nicht erst mit seinem Leiden am Ende seines Lebens, sondern schon «vor aller Zeit», als Gott beschloss, den Menschen zu schaffen, um aus ihm Gestalt anzunehmen.

Christus sagt von sich, er sei eins mit seinem Vater, dem Ursprung. Durch seine Menschwerdung beginnt die Lebensdynamik Gottes in der Menschheit wieder zu pulsieren. Christus ist sozusagen der immerwährende göttliche Impuls, durch den Gott in die autistisch verschlossene Menschheit einschwingen kann. Weil Christus gegen allen Widerstand, gegen allen Hass und gegen alles Böse bei seinem lebensstiftenden Pulsieren in der Dynamik des göttlichen Geistes und in der Einheit mit seinem Vater bleibt, kann Gott die neue Schöpfung beginnen. Die Auferstehung Christi ist die Offenbarung der unzerstörbaren Lebensmacht Gottes, für uns Menschen der Durchbruch aus dem Tod.

«Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben», sagt Christus, und das ist das Rettende.

Wenn wir unsere Erstarrung fühlen, unsere Entfremdung, wenn wir die Disharmonie und die Begrenztheit in unseren Beziehungen erfahren, unsere Einsamkeit in einer versehrten Schöpfung, ihren agressiven Kräfte gegen uns ausgesetzt, dann sollten wir es ergreifen, das Rettende, das Pulsieren des schöpferischen Geistes in unserem ermatteten Geist zulassen.

Wir sind gerufen, von den einsamen Höhen der Selbstüberschätzung und falschen Grösse herunterzusteigen in das grüne Tal, wo die Ströme des lebendigen Wassers fliessen.

Dann können auch wir sagen: Welch eine Erlösung!

 

Text

Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.

Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören. Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. (1 Kor 15,21-26)

 

Abendgebet-Sequentia, Predigerkirche, Zürich, 11. Februar 2024, 18:00

Bild: Adobe Stock quickshooting

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