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Macht

Welche Bilder kommen uns vor Augen, wenn wir das Wort Macht hören? Oder von der Macht Gottes reden? Und was ist der Unterschied zwischen Macht und Gewalt?

Im Psalm 8, den wir oft gesungen haben, heisst es: Durch die Neugeborenen und Säuglinge hast du dir eine Macht geschaffen, um deine Feinde und Widersacher zum Verstummen zu bringen.

Babies sind unverstelltes Lebensverlangen, ohne Berechnung und Taktik, reine Offenheit und Süsse, die in jedem gesunden Menschen das Zarte, die Zärtlichkeit wecken, eine Ahnung davon, dass dieses Leben etwas Kostbares ist, einmalig. Mit Neugeborenen und Säuglingen sind auch die nepioi gemeint, das ist das griechische Wort für jene, die Christus als die Kleinen und Unmündigen selig preist. Es sind die Unverbildeten und Unverstellten, die offen sind für das, was von Gott kommt. Sie sind für Gott eine Macht, ein Bollwerk gegen das Böse.

Gott selbst wird ein Kind, wird schutzbedürftig, um die besten Kräfte in uns zu wecken. Die Bedürftigkeit eines Kindes macht keine Angst, und damit will Gott unser Herz befreien zur Liebe.

Das Thema Macht steht am heutigen Sonntag auch in den liturgischen Texten auf dem Programm.

Elja hat als Prophet Jahwes soeben die Macht Gottes demonstriert. Er hat Feuer vom Himmel erbeten, um das Opfer auf dem Altar, das er mit Wasser übergossen hat, in Brand zu stecken. Das Feuer kam und der Beweis war erbracht, dass Jahwe der wahre Gott ist, denn er konnte etwas, wozu Baal offensichtlich nicht in der Lage war. (vgl. 1 Kön 18,1-19,14)

Nach dieser Machterfahrung Jahwes und seiner eigenen Machtausübung – Elja hat alle Baalspriester töten lassen – zog er sich müde und deprimiert zurück auf den Gottesberg. Dort forderte Gott ihn auf, vor sein Antlitz zu treten. Donner, Erdbeben, Feuer waren die machtvollen oder gewaltigen Phänomene, die dieses Erscheinen Gottes ankündigten. Aber erst im «verschwebenden Schweigen», so übersetzt Martin Buber das Säuseln, hörte Elija die Frage Gottes: Was tust Du hier? Und Elja klagt ihm sein ganzes Unglück: Der Eifer für dein Haus hat mich verzehrt, denn die Israeliten haben dich verlassen, deine Altäre haben sie niedergerissen, deine Propheten haben sie mit dem Schwert umgebracht. Ich allein bin übriggeblieben, und nun stellen sie auch meinem Leben nach.»

Elja ist als Prophet hineingenommen in den unglaublichen Kampf Gottes um uns Menschen, um unsere Rückkehr in die Wahrheit und in das volle Leben. Können wir erkennen, wie ohnmächtig Gott mit seiner Liebesmacht ist, in unserer Welt, die durchtränkt ist von Gewalt, von pervertierter Lebensmacht?

Der zweite Text ist die Geschichte mit Petrus, der auf dem Wasser gehen will und dann versinkt. (vgl. Mt 14,22-33)

Als Jesus im Sturm über dem Wasser auf die Jünger zukommt, befällt sie Entsetzen, nicht etwa Erleichterung. Warum eigentlich? Sie haben doch schon so viele Wunder erlebt, Heilungen, Totenerweckungen? Warum also nicht Freude, dass Jesus sogar im Sturm zu ihnen kommt, sogar über dem Wasser?

Und warum will Petrus auf dem Wasser schreiten, wenn Jesus sowieso auf dem Weg zu ihnen ist? Wäre es nicht normal gewesen, dass er wie die andern Jünger auch wartet, bis sich zeigt, ob das Ganze ein Spuk ist oder nicht, oder bis Jesus tatsächlich bei ihnen angekommen wäre?

Im Verhalten von Petrus scheint eine andere Art von Macht wirksam, als jene, die über Wind und Sturm gebietet. Etwas von der Macht, die das Herz des Menschen ergreift und ihm Heimat gibt. Ähnlich wie Thomas, der die Wunden Jesu ertasten will, um zu glauben, scheint Petrus nach einer Gewissheit zu verlangen, dass Christus wirklich ist, was sie glauben. Dass Petrus nach grosser Übermüdung und Überforderung nach einer ganz persönlichen Bestätigung verlangt. Denn am vergangenen Tag ist wie so oft Gewaltiges passiert.

Der innere Weg dieser Männer, die mit Christus unterwegs sind, darf nicht unterschätzt werden: Sie mussten ständig Konfrontationen und Spannungen aushalten. Immer wieder die Frage: Wer ist dieser Jesus von Nazareth wirklich, dem sie vertrauen, für den sie alles opfern? Nicht umsonst fragt sie Jesus: Wollt auch ihr weggehen? Was sie hält, ist die Macht Jesu als Lebens- und Liebesmacht, die sie als heilend erfahren, die noch nie gehörten Sinn eröffnet.

Weil wir am 15. August das Fest Maria Aufnahme in den Himmel feiern, möchte ich noch auf eine ganz überraschende Formulierung von Machtausübung hinweisen. Sie findet sich in einem Gebet des Mystikers Don Bosco. In diesem Gebet heisst es von Maria:

Du bist furchterregend wie ein zum Kampfe gerüstetes Kriegsheer; Du allein hast alle Irrlehren auf der ganzen Welt vernichtet;

Maria als die grosse Kriegerin, die dem lebensverschlingenden Drachen den Kopf zertritt, dem Bösen, der ihr Kind töten will, den Gott-Menschen, das Heil der Welt! Die Rüstung Marias ist ihre unversehrte Gottfähigkeit, ihre Liebesmacht. Sie ist ohne einen Tropfen des Gifts, das durch die grosse Lüge «im Anfang» in unser Menschsein hineingeträufelt wurde: Die grosse Lüge, dass es in unserem Leben um jene Macht geht, die ihre Wurzel in der Selbstbehauptung hat, die dann zu Gewalt führt, wie wir seit Menschengedenken wissen. Maria ist das grosse Zeichen dafür, dass die Macht Gottes Lebensmacht ist.

 

Text

Die Frau, ihr Kind und der Drache (Offb 12,1-17, Elberfelder Bibel)

1 Und ein großes Zeichen erschien im[1] Himmel: Eine Frau, bekleidet mit der Sonne, und der Mond war unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen. 2 Und sie ist schwanger und schreit in Geburtswehen und in Schmerzen und soll gebären. 3 Und es erschien ein anderes Zeichen im[2] Himmel: Und siehe, ein großer, feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner und auf seinen Köpfen sieben Diademe[3] hatte; 4 und sein Schwanz zieht den dritten Teil der Sterne des Himmels fort, und er warf sie auf die Erde. Und der Drache stand vor der Frau, die im Begriff war, zu gebären, um, wenn sie geboren hätte, ihr Kind zu verschlingen. 5 Und sie gebar einen Sohn, ein männliches Kind, der alle Nationen hüten soll mit eisernem Stab; und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und zu seinem Thron. 6 Und die Frau floh in die Wüste, wo sie eine von Gott bereitete Stätte hat, damit man sie dort ernährte 1 260 Tage. 7 Und es entstand ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel; 8 und sie bekamen nicht die Übermacht, und ihre Stätte wurde nicht mehr im Himmel gefunden. 9 Und es wurde geworfen der große Drache, die alte Schlange, der Teufel und Satan genannt wird, der den ganzen Erdkreis verführt, geworfen wurde er auf die Erde, und seine Engel wurden mit ihm geworfen. 10 Und ich hörte eine laute Stimme im Himmel sagen: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich[4] unseres Gottes und die Macht[5] seines Christus gekommen[6]; denn hinabgeworfen ist der Verkläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagte. 11 Und sie haben ihn überwunden wegen des Blutes des Lammes und wegen des Wortes ihres Zeugnisses, und sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod! 12 Darum seid fröhlich, ihr Himmel und die ihr in ihnen wohnt! Wehe der Erde und dem Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen und hat große Wut, da er weiß, dass er nur eine kurze Zeit hat. 13 Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die das männliche Kind geboren hatte. 14 Und es wurden der Frau die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die Wüste flog, an ihre Stätte, wo sie ernährt wird eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit[7], fern vom Angesicht der Schlange. 15 Und die Schlange warf aus ihrem Mund Wasser wie einen Strom hinter der Frau her, um sie mit dem Strom fortzureißen. 16 Und die Erde half der Frau, und die Erde öffnete ihren Mund und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Mund warf. 17 Und der Drache wurde zornig über die Frau und ging hin, Krieg zu führen mit den Übrigen ihrer Nachkommenschaft[8], welche die Gebote Gottes halten[9] und das Zeugnis Jesu haben.

 

Abendgebet, Kloster Fahr, 13. August 2023

Bild: AdobeStock, Tomsickova

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