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Herrin und Geliebte

Kein Dilemma mit Marta und Maria

 

Das Eine nur ist notwendig! Was genau meint Jesus damit?

Marta muss die Älteste der drei Geschwister sein, denn sie ist die Herrin des Hauses. Sie hat die Verantwortung, ist die Gastgeberin.

Der Name Marta bedeutet „Herrin“. Marta steht für Weiblichkeit, der die Verantwortung anvertraut ist für „das Haus“, also diese Welt: Für die Ordnung, die Gastfreundschaft, die Tradition.

Im alten Orient, überhaupt in allen alten Kulturen, gibt es klare Aufgaben, wenn Gäste kommen. Reisen war beschwerlich, gefährlich, Gastfreundschaft zu finden war überlebenswichtig. Ausserden brachte ein Gast immer willkommene Abwechslung in das eintönige Leben, er brachte Neuigkeiten aus andern Ländern, Gegenden und kulturellen Zusammenhängen.

Maria, die jüngere Schwester, setzt sich Jesus zu Füßen. Sie scheint innerlich in einem „andern Film“ zu sein als Marta, sie fühlt sich nicht als Gastgeberin. Sie will nur das Neue, was mit Jesus kommt. Schliesslich hat er ihren Bruder vom Tod erweckt. Für sie ist es „eine neue Zeit“. Eine einzigartige Gelegenheit. Sie kommt nicht auf die Idee, ihrer Schwester zu helfen.

Der Name „Maria“ heisst: Gottgeliebte, aber auch „Meer der Bitternis“. Maria steht für Liebe, Beziehung und dazu gehört immer auch Leiden und Schmerz.

Die beiden Frauen stehen für zwei Aspekte von Weiblichkeit: Marta steht für das bisherige, traditionelle Selbstverständnis, das nicht etwa überflüssig wird, wenn Christus kommt, vielmehr Grundlage für das Leben bleibt. Wer in dieser Welt Verantwortung trägt, weiss, dass man nicht einfach alles stehen und liegen lassen kann, wenn Unerwartetes geschieht. Er weiss, dass der Gang der Dinge davon abhängt, ob man Stand hält in den Widerfahrnissen des Lebens, in den lebenserhaltenden Aufgaben des Alltags.

Marta wendet sich an Jesus: Schau mal, meine Schwester verliert jedes Pflichtgefühl, wenn Du kommst. Bitte sag Du ihr, dass auch während deines Besuches die Pflicht nicht vernachlässigt werden kann!

Jesus schaut Marta an. Er nimmt sie fest in den Blick der Liebe, nennt sie beim Namen: Marta, Marta!

Er gibt ihr zu verstehen: Ich erkenne dich! Ich kenne Dich! Ich weiss um Dich! Marta, weisst Du auch um Dich? Um Deine Verantwortung? Um Deine Gabe? Um Deine Berufung? Erkennst auch Du Dich?

„Du machst Dir viele Sorgen und Mühen!“ Im Griechischen heisst es: „Du sorgst und wirst umgetrieben um vieles!“ Weil Du sorgst, wirst Du umgetrieben. Das ist nicht falsch. Das muss sein. Das ist Deine Aufgabe.

Doch dann sagt Jesus: „Aber nur eines ist notwendig.“ Griechisch: „An einem aber ist Bedarf“.

Wenn wir das hören, denken wir: Sich Sorgen und Mühen zu machen sei nicht notwendig. Das ist aber nicht gemeint. Sondern: Ohne das Notwendende hat das Sorgen und Mühen nicht die richtige Qualität und die richtige Ausrichtung. Ohne das Eine, Notwendende wird das Sorgen und Mühen orientierungslos und damit sinnlos. Es dient nicht wirklich dem Leben, nicht dem Leben, das Christus bringt. Es fehlt ihm die schöpferische Inspiration für das Warum und Wohin. Es ist in gewisser Weise blind und taub.

Nur die Liebe begreift das Notwendende. Es ist die Liebe, und nur die Liebe, die fähig ist, das Neue, das von Gott kommt, aufzunehmen; den einmaligen Augenblick zu erfassen, wenn Gott sich mitteilt auf seinem Weg mit uns. Dann lebt die Inspiration in einem Haus. Die Weisheit. Die discretio als das Angemessene.

Marta möchte, dass Jesus ihre Schwester dazu bringt, nach alter Väter Sitte ihren Dienst zu tun.

Sie nimmt Jesus die Freiheit und will ihn in ihr enges Weltbild einsperren. Sie begreift nicht, dass hier ein besonderer Moment ist, der alles andere in den Schatten stellt und etwas radikal Anderes bringt.

Gerade weil sie die Herrin ist und Macht hat – sie kann schenken, sie verfügt über ein Hauswesen – ist sie in Gefahr, die Dinge, das Leben und die Menschen ihren Vorstellungen zu unterordnen. Sie ist nicht offen für das, was für Gott möglich ist.

Was Marta verkörpert, ist das Gute, wie es im Volk Israel aufgrund seiner Geschichte mit Gott Tradition war. Durch Christus aber kommt das „neue Gute“, der Anfang der neuen Schöpfung, in der der Tod überwunden ist. Davon soll weibliche Herrschaft in Zukunft inspiriert sein.

Die „Herrin“ ist durch ihre Aufgabe immer in Gefahr, den kairos nicht zu erkennen. Nur wenn sie zugleich auch Geliebte ist, ist sie an der Quelle der Inspiration.

Es geht in dieser Geschichte nicht um zwei Berufungen oder um zwei verschiedene Lebensformen. Es geht vielmehr um die Ganzheitlichkeit weiblicher Existenz und weiblicher Berufung: Nur als Hingegebene, als Geliebte, ist die Frau wirklich schöpferische Herrin, die Raum geben kann für das Neue, das Gott schenkt.

 

 

 

Bibelstelle: Lukas 10,38-42

Bild: Adobestock 347180357 Kris Hoobaer

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