Freut Euch! Freut Euch jederzeit – im Herrn!
Wie kann Paulus so etwas sagen, wo wir doch alle wissen, dass man sich nicht auf Knopfdruck freuen kann?
Aber genauso wird uns auch gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben! Oder: Liebt Eure Feinde!
Machen uns diese Forderungen der heiligen Schrift nicht hilflos? Ist das nicht einfach eine Überforderung und unrealistisch?
Diese Freude, von der Paulus spricht, ist etwas ganz Besonderes. Sie bedeutet nicht: Spass haben, oder Lust erleben; oder Lachen, weil etwas lustig ist. Es geht auch nicht um Humor im Umgang mit den Schwierigkeiten des Lebens. Es ist auch nicht die Freude, die wir haben, wenn wir endlich in das selbstgebaute Haus einziehen können, noch nicht einmal die Freude, wenn ein Kind geboren wird, das in einem sehr innigen Moment gezeugt wurde. Auch nicht die Freude, den Menschen fürs Leben gefunden zu haben. Es ist nicht das Glück, das wir empfinden, wenn es uns gut geht.
Die Freude, die Paulus meint, ist von ganz anderer Art. Er selber hat sie gefunden, als er auf seinem Weg nach Damaskus aus seinem bisherigen Leben herausgefallen ist, als ihm Christus begegnete.
Paulus hat erfahren, dass es nicht darauf ankommt, das «Gesetz» zu halten, sondern sich auf diesen Gott einzulassen. Diesen Gott zu erkennen. Denn dieser Gott hat etwas zu bieten, was das ganze Leben verändert: Er hat die Macht, den Tod zu überwinden, die Macht der Auferstehung. Das ist mehr als das «Gesetz».
Der Tod ist nicht einfach das Ende unseres physischen Lebens, sondern der Tod meint all das Unheilvolle, Zerstörerische, Böse in dieser Welt. Der Tod ist wie eine giftige Wurzel auf dem Grund unserer Existenz, tief in unserem Unbewussten, in der geistigen Dimension der Schöpfung. Er wirkt sich aus in all dem, was unser Leben schwer macht, traurig, schwierig, mühevoll. Er belastet unser Zusammenleben und macht die Beziehungen so schwierig. Wir alle erfahren diese negative Wirklichkeit in unserer Gesellschaft, aber auch in unseren wertvollsten Beziehungen, obwohl wir doch nur das Beste wollen.
Christus hat in seinem Leben, hier in dieser Welt, in seinem eigenen Innern, all das Giftige und Zerstörerische neutralisiert. Er hat sozusagen das Serum entwickelt, eine Herzkraft, die in uns das Giftige unwirksam macht und uns zu einer Klarheit des Herzens führt.
Das ist gemeint, wenn der Täufer Johannes sagt: Er wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Taufen heisst ja, eintauchen, durchtränken. Aber mit Feuer. Es geht also um eine innere Reinigung. Wir sollen durchglüht werden, damit alles Unechte, Unfruchtbare, Giftige, Verworrene verbrennt.
Wir kennen solche Erfahrungen des Verbrennens aus unserem Alltag: Wenn wir z.B. etwas getan haben, was nicht richtig war, und jemand sieht es dann auch noch, dann schämen wir uns. Das brennt dann innerlich und macht etwas mit uns. Es reinigt uns. Aus dieser Erfahrung des Brennens kommt die Vorstellung vom Fegfeuer.
Wenn wir die Schuld bereuen und bekennen, entsteht eine starke Kraft, eine neue Entschiedenheit zum Gutsein, eine grössere Klarheit des Herzens. Die Spreu wird so in unserem eigenen Innern vom Weizen getrennt.
Von solchen Alltagserfahrungen her können wir ermessen, was Paulus erfahren hat: Er ist durch die Begegnung mit Christus in ein brennendes Feuer geraten. Sein Eifer für das Gesetz, seine Vorstellung von Gerechtigkeit und von Gott waren vergiftet von seiner Selbstgerechtigkeit. Er hat begreifen müssen, dass es Gott um etwas anderes geht: Um die Heilung vom Gift des Todes. Um die Heilung unseres Herzens durch die Liebe Gottes.
Diese Liebe ist eine geistige Wirkmacht. Wir können sie erfahren als Kraft, die uns plötzlich zukommt, wo wir doch keine Kraft mehr haben. Als Licht, als gute Idee, die uns weiterhilft. Als Führung, vielleicht in einem Traum, so dass wir plötzlich weiter wissen. Sie kommt uns zu durch das Wort der Heiligen Schrift, das uns Trost gibt, mit dem wir alles neu sehen können, durch das wir Gott tiefer erkennen.
Manchmal ist es einfach eine Gegenwart, die wir spüren: Gott ist da. Ich bin nicht allein. Er versteht mich. Er kennt mich. Er kümmert sich um mich. Ich bin nicht verloren, ich bin nicht dem Nichts ausgeliefert, dem Tod.
Wenn Gott uns so zur Wirklichkeit wird, entsteht diese Freude, von der Paulus spricht. Wir werden gelassener, wir fühlen uns geborgen, weil nicht einmal der Tod uns all das nehmen kann. Diese Freude entkrampft unser Leben, in uns kann Güte entstehen, Erbarmen, Frieden.
Freude und Liebe sind die Frucht eines Herzens, das durch Feuer gereinigt ist. Diese Reinigung hört nie auf. Sie dauert ein Leben lang. Der physische Tod ist die letzte Feuerprobe. Auch Paulus hat trotz seiner tiefen Christuserfahrung viel später noch daran gelitten, dass er nicht in der Lage war, das Gute zu tun, was er als gut erkannt hat.
Deshalb schreibt er so eindringlich: Bewahrt euch die Nähe zu Gott, erwartet alles von ihm, seid betend und flehend mit ihm in Beziehung, dann wird der Friede Christi, der alles Verstehen übersteigt, eure Herzen und eure Gedanken erfüllen.
Freut euch! Freut euch jederzeit im Herrn!
11. Dezember 2021, Stadtkloster Zürich, Brief an die Kirche von Philippi, 4,4-7
Bild: AdobeStock_451367028 Alex Stemmers
Herzlichen Dank Pia Maria!
Dieser Text schenkt wieder einmal viel Freude, Kraft und Mut!
Liebe Pia,
Deine Impulse sind immer sehr wohltuend.
Herzlichen Dank dafür und eine gesegnete Weihnachtszeit.
Liebe Grüße