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Wie ein Sklave und den Menschen gleich

Vom Gehorsam bis zum Tod (Phil 2,6-11)

„Christus Jesus war Gott gleich“, haben wir gehört. In diesem Satz kommt das ganze Geheimnis Gottes zum Ausdruck. Es ist ein Satz, den wir nie ausloten können.

Dieser Christus war vor aller Zeit, jenseits aller Schöpfung, Gott von Gott, Licht von Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. So beten wir im Glaubensbekenntnis.

Dieser Gott schafft eine Welt, schafft uns Menschen, um uns Anteil zu geben an seinem göttlichen Leben. An seiner Fülle und Herrlichkeit. Aus lauter Liebe. So ist es gedacht.

Wenn es heisst: Christus „entäusserte sich“ und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich, dann ist hier nicht mehr von der Schöpfung die Rede, die erfüllt ist von der Herrlichkeit Gottes.

 

„Welt“ hat in der Heiligen Schrift eine zweifache Bedeutung: Als Gottes Schöpfung ist sie etwas Grossartiges, Wunderbares, wir erkennen in ihr die Spuren des Schöpfers, seine Botschaft, auch heute noch.

Als „Welt“ bezeichnet die Heilige Schrift auch die Welt, die gottfremd, ja eben gottfeindlich ist, weil sie zum Herrschaftsbereich Satans geworden ist. Der Mensch hat sich verführen lassen von der Geisteshaltung der Selbstbezogenheit, und ist damit herausgefallen aus der inspirierenden Beziehung mit Gott. Seitdem trägt er die Zerstörung, die Inkompetenz in alles hinein und schafft die Per-Version der Herrlichkeit, den Tod.

Deshalb ist diese Welt ein Sklavenhaus, ein Ort der Sklaverei. Jede Kultur und jede Zeit hat für diese Bezeichnung ihre eigene Erfahrung.

Wenn wir als Heutige auf die Welt schauen, dann scheint diese Realität des Bösen immer mehr erkennbar, als würde es um eine letzte Entscheidung gehen. Wir erleben, dass wir Teil sind in diesem System „Welt“. Wir können machen was wir wollen, es ist unmöglich, auszusteigen aus den verschiedenen Systemen und Kreisläufen, in die wir hineingeboren werden. Deshalb sind wir immer in irgendeiner Weise auch mitschuldig an allem, Mitverursacher.

Wenn wir aussteigen aus einem Unheilszusammenhang, schaffen wir einen andern: Wir wollen beitragen zur Verminderung des Fleischkonsums und essen z.B. mehr Avocados. Dann lesen wir, wie durch die zunehmende Avocado-Produktion der Wasserverbraucht steigt, wo das Wasser doch immer knapper wird. Wenn wir Elektro-Autos wollen, brauchen wir Strom, also Atomkraftwerke, obwohl es keine Möglichkeit gibt, den Atommüll zu entsorgen.

Und nun heisst es in der heutigen Lesung: Christus hielt nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er „entäusserte sich“.

Sich entäussern kommt in der Heiligen Schrift nur hier vor. Das Wort ist ein Schlüssel zum Geheimnis Gottes. „Sich entäussern“ ist die Art Gottes, zu lieben und uns Anteil an ihm zu geben. Sich entäussern meint: Gott gibt sich mit seinem ganzen dreieinigen Leben über sich hinaus. Er gibt sich. Er teilt sich mit. Er macht sich zu einer Lebenseinheit, zu einem einzigen Organismus mit uns Menschen. Und weil er Gott ist, kann er das göttlich total.

Gott gibt uns also nicht etwas, er tut nicht etwas für uns, sondern er gibt sich. Wie können wir eine Ahnung bekommen, was das bedeutet? Ein Ich schenkt sich als Ich einem Du? Gott als Ich schenkt sich seinem Geschöpf als seinem Du? Wie wird das zur Erfahrung?

Christus wurde damit „wie ein Sklave“, uns Menschen gleich. Die Heilige Schrift bezeichnet unser Leben also als Sklavenleben.

Er fügt sich ein in dieses System der gottfeindlichen Welt und erträgt es. Er identifiziert sich mit uns, die wir darin gefangen sind.

Eine ungeheure Erniedrigung! Eine ungeheure Grösse!

„Er war gehorsam bis zum Tod am Kreuz“. Er hat es auf sich genommen, in diesem gottfeindlichen Herrschaftssystem zu existieren und die Konsequenzen am eigenen Leib zu tragen. Damit hat er das System von Innen her gesprengt.

Weil er selber eine völlig andere Lebenslogik gelebt und verkündet hat, hat er die pervertierte Lebenslogik entlarvt. Er hat gesagt: Ihr seid keine Sklaven; ihr seid gedacht als königlich-priesterliche Menschen, als Freie, voller göttlicher Lebensmacht. Ihr seid Bild Gottes.

Es gab Menschen, die das begriffen haben, die sich nach dieser wahren Lebensdynamik gesehnt und sich darauf eingelassen haben.

Das ist eine Bedrohung für das herrschende System, auch heute. Wenn niemand mehr daran glaubt, dass erfülltes Leben in der Machtausübung über andere besteht, wenn immer mehr Menschen begreifen: Der Lebenshunger wird gestillt durch Hingabe des Ich, durch liebende Beziehung, durch Hingabe an Gott und Empfängnis aus ihm – weil Gott alles gibt, um uns zu seinem Bild mit göttlicher Lebensmacht aufzubauen – dann hat die Lüge keine Macht mehr.

Wir Christen haben die Aufgabe, diese Entlarvung der Lüge geschichtlich zu Ende zu bringen. Wir sollen als Zeugen des wahren Lebens Augenöffner für andere werden. Auch wenn wir dadurch verfolgt und getötet werden. Viele Christen sind zur Zeit in dieser Situation. Von uns ist dieser Glaube bisher nicht gefordert worden. Aber wir wissen nicht, wie die Dinge sich entwickeln. Ich denke, dass wir beten sollten um einen starken, tiefen Glauben, um unsere Aufgabe als Glaubende erfüllen zu können.

 

Bilder: Mobil: pmh; Jesus vor Pilatus: Roman Odermatt, Der Tod Adams, Quelle unbekannt

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Dieser Beitrag hat 6 Kommentare
  1. Liebe Pia
    Danke! Deine Art Spirituelles und Menschliches miteinander in einer gemeinsamen Schau zu Worte zu bringen,
    das Evangelium zu verkünden – schenkt mir immer wieder ein Staunen über das grosse Geheimnis Gott und Mensch und allen Geschöpfen.
    Die Anfrage was, wie, wer entäussere ich wird zur Herausforderung der Entscheidung für oder gegen das Leben.
    Gesegnete Drei Heilige Tage wünscht Dir Susanne

  2. Liebe Pia,
    Deine „Weltsicht“ scheint mir doch etwas gar pessimistisch, wenn Du schreibst, dass Satan die Welt regiert. Das würde heissen, dass Gott abwesend und untätig ist. Das glaube ich nicht. Gott ist präsent in der Schöpfung (die wir allerdings arg malträtieren), er ist aber vorallem in unseren Mitmenschen, im Nächsten präsent. In all den Menschen „guten Willens“. Gott überlässt die Welt nicht dem Bösen, er lässt es zwar zu.
    Auch wir überlassen sie Welt nicht dem Bösen, mit jedem guten Gedanken, jedem guten Wort, jeder guten Tat.

    1. Lieber Joseph
      Es kommt halt immer drauf an, wo man gerade hinschaut. Wir leben ja auf einer Insel hier in der Schweiz. Wenn man aber im Blick hat, was an Krieg, Umweltzerstörung, an Zerrüttung des Menschen, Ungerechtigkeit usw. weltweit geschieht, ist es doch unglaublich, dass Gott uns einen Weg finden lässt, der innerlich hinausführt. Christus lebt uns das ja vor: Es gibt einen Weg, selbst in der schlimmsten Zerstörung. Das habe ich gemeint, wenn ich von der geschichtlichen Überwindung des Bösen schreibe. Ich bin ganz mit Dir einverstanden, wenn Du von der Kraft des Guten, von den Menschen guten Willens schreibst.

  3. Liebe Pia
    Vielen Dank für Deine tiefen Erkenntnisse. Ich teile sie und erfahre, dass die stete Suche und Offenheit uns Menschen Hilfe, Gelassenheit und den Mut verleihen, standhaft und geschwisterlich einen guten Weg zu gehen.

  4. Liebe Pia

    Nach jahrelangem Prozess, des spirituellen Lebens, wo ich auf völlig unbekanntes Neuland stiess und versuchte, alles zusammen zu weben oder reimen, klärt sich nun durch deine Weisheit der ganze Horizont auf. Ich bin dir überaus dankbar für deine Kenntnisse und pastorale Hilfe.Es sind kleine Schritte die man weiter voranschreitet, aber jede Bestärkung zaubert die Freude herbei.
    Liebe Grüsse Daniela

  5. Ich suche nach einem Bild im Internet „Jesus steht vor Pilatus“ für den Kindergottesdienst und stiesse auf diesen Text, dann bleibe ich stehen wie gefesselt. Was für einen schönen Text! Was für eine Wahrheit dahintersteht! Gott segne Sie, Ihre Taten und Gedanken!

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